Projekt des Monats

Direkte und indirekte Freie Kühlung von Rechenzentren mit zentralen Raumlufttechnischen Geräten ohne zusätzlich mechanische Kühlung

Die Nutzung der Außenluft als Temperatursenke ist eine zu bevorzugende Technologie. Gegenüber der traditionellen Kühlung im Umluftverfahren mittels einer Kompressionskälteanlage sind die Betriebskosten bedeutend geringer. Die Einsparung liegt bei rund 80 %. Zudem kann bei der Verwendung der kombinierten direkten und indirekten freien Kühlung der Bedarf an Befeuchtungs- und Entfeuchtungsleistungen eliminiert werden.

Im Zusammenhang mit der Nutzung der leistungsgesteigerten indirekten Verdunstungs­kühlung und der neu entwickelten Wärmeübertageranordnung kann auf eine mecha­nische Kühlung vollständig verzichtet werden. Überdies kann durch die Leistungsstei­gerung in den meisten Betriebsfällen die Luftmenge aufgrund der niedrigen Zuluft­tempreratur reduziert werden.

Die Wirtschaftlichkeit der Rechenzent­rumskühlung wird dadurch deutlich erhöht und die etwas höheren Investitionskosten des Raumlufttechnischen Gerätes werden dadurch mehr als kompensiert. Mit diesem System werden nur noch 20 % der ursprünglichen Energiemenge benötigt.

Bedarf an Kühlung

Rechenzentren benötigen auch heute trotz einer geringeren spezifischen Verlustleistung der Informationstechnik immer noch große Rückkühlleistungen, da auf geringerem Raum eine immer höhere spezi­fische Rechnerleistung bis 1,2 KW/m² installiert wird. Moderne und große Rechen­zentren benöti­gen daher Kühlleistungen von über 1 MW. Dabei ist der kostenbestimmende Faktor die meist elektrisch erzeugte Kälteerzeugung, die 24 h pro Tag zu erbringen ist. 

Freie Kühlung durch Außenluft

Grundsätzlich kann jedoch die Außenluft als Wärmesenke zur Kühlung herangezogen werden, da die Außenluft im Jahresverlauf meistens kälter als beispielsweise 23 °C ist und in nur ca. 600 Stunden pro Jahr eine Kühlung bei Außenlufttemperaturen über 23 °C erfor­derlich wird. Es besteht im Prinzip entweder die Möglichkeit, die Außenluft ohne Umwege zu verwenden, also das Rechen­zentrum direkt mit Außenluft zu belüften und damit zu kühlen, oder aber die Außenluft über einen Wärmeübertrager zu entkoppelt, also indirekt zur Küh­lung zu nutzen. Die direkte Kühlung eines Rechenzentrums mit Außen­luft ist von ver­schiedenen Bedin­gungen abhängig. Gelangt sie direkt in das Rechen­zent­rum, ist ihre Qualität für die Rechnertechnik von großer Bedeutung. Liegt standort­bedingt belastete Außenluft vor, wird grundsätzlich von einer direkten Nutzung abge­raten. Dies trifft nahezu in alle Fällen der zu hohen oder zu niedrigen Feuchte der Außenluft zu, da die Feuchte im Jahres- und im Tagesverlauf stark schwankt.

Die direkte freie Kühlung hat den großen Vorteil, dass der Wärmewiderstand und der Druckabfall eines sonst not­wendigen Wärmeübertragers nicht berücksichtigt werden muss. Sie hat aber auch den Nachteil, dass die Zuluft im Winter be­feuchtet und im Sommer entfeuchtet werden muss, weil die Außenluftfeuchte im Jahresverlauf stark variiert.

In der Praxis werden häufig Grenzwerte für die absolute Feuchte der Zuluft von 4 bis 6 g/kg im Winter als unterer Grenz­wert und 10 bis 12 g/kg im Sommer als oberer Grenz­wert akzeptiert. Die Zuluft darf nicht zu trocken werden, da ansonsten elektrostatische Ladungseffekte zum Problem der IT-Systeme werden kön­nen, sie darf aber auch nicht zu feucht werden, da dann ebenfalls Probleme beispiels­weise durch lokale Konden­sation an den IT-Systemen ent­stehen kön­nen.

In den meisten Gebieten in Deutschland kann im Bereich zwischen 18 und 23 °C sowie zwischen 4 und 10 g/kg die Außenluft ohne eine Luftbehandlungsfunktion in ca. 600 h/a direkt verwendet wer­den (Tabelle 1 grüner Bereich).

Unterhalb einer Außenlufttemperatur von 18 °C und einer absoluten Feuchte unter 4 g/kg wird in fast 1.600 h/a durch Nutzung der indirekten freien Kühlung und ohne zu­sätzliche thermodynamische Luftaufbereitung die geforderte Zulufttemperatur erreicht (siehe Tabelle 1 türkiser Bereich).

Tabelle 1 veranschaulicht am Beispiel von Bremerhaven die spezifischen Außenluftkon­ditio­nen während eines Jahres und deren Summenhäufigkeiten in 1/10 Stunden[2].

Unterhalb von 18 °C und über 4 g/kg kann in mehr als 6.000 h/a die minimale Zulufttem­peratur durch einfaches Mischen von Außenluft mit Abluft energetisch effizient gewähr­leistet werden, da keine Luftbe­handlungsfunktionen erforderlich sind (Tabelle 1 beiger Be­reich

Im Bereich über 23 °C Außenluft und bis zu einer Außenluft­feuchte von 10 g/kg kann durch tro­ckene, sensible Kühlung die ge­forderte Zulufttemperatur in ca. 120 h/a sicher­gestellt werden (Tabelle 1 violetter Bereich). Die notwendige Kühlung wird dann durch ein Rückkühlwerk (RKW) auf Basis eines Wärmeübertragers mit indirekter Verdunstungskühlung bereitgestellt.

Durch die Verwendung eines Rückkühlwerkes, das mit Außenluft betrieben wird, wird die Temperatur nach dem Rückkühlwerk je nach Außen- und Abluftluftkondition auf ca. 18 bis 24 °C reduziert, ohne dass eine zusätzliche Kälte­maschine benötigt wird.

Wenn die Summenhäufigkeiten der einzelnen Betriebszustände (siehe Tabelle 1) ad­diert werden, so ergibt sich für die direkte freie Kühlung (violetter, grüner und beiger Be­reich) eine Summenhäufigkeit von rund 4.200 h, also 48 % der Jahresnutzungszeit, während 4.562 h, also 52 % auf die indirekte Nutzung der Außenluft fallen (türkiser und blauer Bereich bei beispielsweise 4 g und 10 g als Feuchtegrenzwerte). 

Leistungssteigerung der indirekten Verdunstungskühlung

Um auf eine Kältemaschine verzichten zu können, ist eine Optimierung der Leistungs­daten (RKW und Verdunstungskühlung) zwingend erforderlich. Hierzu sind Wärmeüber­trager notwendig, die trockene Temperaturübertragungsgrade von mehr als 75 % erfor­dern. Gleichzeitig ist der Platzbedarf von benötigten und entsprechend großen Wärme­übertragern enorm und daher schwer zu realisieren. Bild 1 und 2 zeigen eine neu­artige und platzsparende Lösungsmöglichkeit auf, bei der ein Plattenwärmeübertrager im Kreuz-Gegenstrom am Ende des Gerätes eingesetzt wird. In diesem Fall wird der Wär­me­übertrager gleichzeitig als Umlenkkammer für die beiden Luftströme verwendet.

Mittels der vor dem Wärmeübertrager integrierten Umlenk- und Mischkammer (System CrossXflow by HOWATHERM) können die Lüftströme innerhalb des RLT-Gerätes zwischen den beiden Strängen effizient umgeschaltet werden (siehe Bild 3 und 4). Hier­durch wird die Abluft mit der Zuluft zu einem Umluftsystem verbun­den. Die Außenluft dient nun zum Betrieb des RKW, das mit oder ohne Verdunstungskühlung betrieben werden kann. Wird der Wärmeübertrager nicht benötigt, kann der Plattenwärmeübertra­ger durch integrierte Bypass­klappen umgangen werden.

Neben dem trockenen Temperaturübertragungsgrad des Wärmeübertragers spielt die Verdunstungskühlung eine weitere und entscheidende Rolle. Neben der bekannten ein­stufigen Be­feuchtung wurde zur Steigerung des Befeuchtungsgrades eine zweite Be­feuchterstufe eingesetzt, womit ein Befeuch­tungsgrad von 1 erreicht wird. Der Wärme­übertrager wird dann als Hybrid­system verwendet. Dabei wird der Wärmeüber­trager sowohl als Wärme- als auch als Stoffüber­trager eingesetzt. Die indirekte Befeuchtung erfolgt somit nicht nur vor dem Wärmeübertrager, sondern auch direkt im Wärme­über­trager. Eine weitere Leistungssteigerung kann nur durch die Steigerung des Be­feuch­tungsgra­des erfolgen. Hierzu wurde der Wärmeüber­trager so weiterentwickelt, dass eine beson­ders große Hydrophilie der Ober­fläche er­reicht wurde.

Durch den damit verbun­denen größeren Nachverdunstungs­effekt des Be­feuchtungswassers wird ein Befeuch­tungsgrad erreicht, der bei üblichen Betriebsbedingungen einem Befeuch­tungsgrad von 1,35 äquivalent  ist. Durch das besondere Ver­fahren kann der Befeuch­tungsgrad sogar zwischen 80 bis 135 % stufenlos geregelt werden.

Mit dieser Entwicklung wird selbst bei 32 °C und 40 % Außenluftkondition und 35°C und 30 % Abluftkondition eine Zu­lufttemperatur von 19 °C erreicht. Dies wurde durch Validie­rungsmessungen durch die DEKRA bestätigt. Letztlich wird erst damit eine zu­sätzliche Kälteerzeug obsolet.

Weiterhin kann durch die sehr niedrige und einfach ereichbare Zulufttemperatur die Luftmenge des Kühlsystems gesenkt werden, da die Kühlleistung proportional dem Pro­dukt aus Temperaturdifferenz der Kühlung mit der Luftmenge steigt. Ein konven­tionelles System, das von 32 °C auf 24 °C kühlt, hat mit einer Temperaturdifferenz von 8 K ein um 38 % niedrigeres Potenzial als eine leistungsgesteigerte Verdunstungskühlung mit einer Temperaturdifferenz von 13 K (+ 62 %) . Mit der Leistungssteigerung kann daher die Luftmenge in diesen Betriebsfällen analog um 38 % reduziert werden.

Der Prototyp des Systems wird auf der future thinking 2016 aus- und vorgestellt. 

[1] Freie Kühlung von Rechenzentren mit zentralen Raumlufttechnischen Geräten, HLH 10/2015

[2] VDI 4710 Blatt 3 Meteorologische Grundlagen für die Technische Gebäudeausrüstung  - t,x-Korrelationen der Jahre 1991 bis 2005 für 15 Klimazonen in Deutschland, 03-2011

 

Kontakt
Maria Swiderek, B .Eng. (im Rahmen der Masterthesis)
Prof. Dr.-Ing. Christoph Kaup

Tabelle 1: Häufigkeit der Außenluftzustände nach VDI 4710[1] am Beispiel von Bremer¬haven und beispielhafte Nutzung der Freien Kühlung
Tabelle 1: Häufigkeit der Außenluftzustände nach VDI 4710[1] am Beispiel von Bremer¬haven und beispielhafte Nutzung der Freien Kühlung
Bild 5: Plattenwärmeübertrager als Hybridsystem
Bild 5: Plattenwärmeübertrager als Hybridsystem
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