Projekt des Monats

LandLeuchten

Ländliche Räume leiden in den vergangenen Jahren unter sich gegenseitig verstärkenden Problemen wie einer negativen demographischen Entwicklung und daraus folgend einer Verschlechterung der Nahversorgungsinfrastruktur und damit auch der Lebensqualität. Hier setzt das BMDV-geförderte Forschungsprojekt LandLeuchten unter Leitung von Prof. Dr. Guido Dartmann an. Im Projekt soll den genannten Negativentwicklungen durch smarte, vernetzte und mobile Dienste entgegengewirkt werden. Konkret umfasst dies logistische Dienstleistungen, wie z.B. mobile Supermärkte oder die Lieferung regionaler Lebensmittel, kombiniert mit einer effizienten Nachfragebündelung. Um Kunden und Anbieter solcher Dienste innerhalb einer Region zu vernetzen und Bestellprozesse abzuwickeln, wurde als technologische Grundlage das neuartige Kommunikationssystem Fides entwickelt.

Digitale Kommunikation ist mittlerweile eine Schlüsseltechnologie für alle Bereiche unseres Lebens. Aufgrund dieser Bedeutung sollten Sicherheit, Privatsphäre und Vertrauen unverhandelbare Grundprinzipien dieser Kommunikation darstellen. Dezentrale Lösungen und Netzwerke, die von keiner zentralen Instanz eingeschränkt oder kontrolliert werden können, sind dafür ein wichtiges Element. Fides ist ein ebensolches neuartiges Kommunikationsnetzwerk, welches den Fokus auf diese Aspekte setzt. Das System basiert auf einem Smart-Contract-Ansatz. Smart Contracts sind Protokolle oder Anwendungen, die zwei Parteien verpflichten, sich vor Aufnahme der Kommunikation auf einen festen Ablauf zu einigen. Dadurch werden die Sicherheit und das Vertrauen in einem Netzwerk gesteigert und es können Verträge mit Verpflichtungen im digitalen Raum abgebildet werden. Eingesetzt werden Smart Contracts häufig zur Abwicklung von Finanztransaktionen oder auch in Blockchains. Fides entwickelt diesen Ansatz weiter, indem es das Konzept für multiple Einsatzbereiche öffnet und ohne eine Blockchain oder ähnliche ressourcenaufwändige Konstrukte funktioniert. Verträge in Fides, sogenannte „Cypher Social Contracts“, sind generisch und in natürlicher, menschenverständlicher Sprache gehalten, sodass es auch Nutzer*innen ohne Programmiererfahrung möglich ist, die Übereinkünfte zu verstehen und zu nutzen. Fides kann sogar in den abgeschiedensten Regionen ohne Internetabdeckung über alternative Funktechnologien wie LoRaWAN verwendet werden.

Fides ermöglicht es Nutzer*innen, sich in einem selbstorganisierten Netzwerk ohne zentrale Kontrollinstanz miteinander zu verbinden und trotzdem sicher und vertrauenswürdig über digitale „Contracts“ zu kommunizieren. Auf Grund seiner Offenheit, kann das System für jegliche Art sozialer Interaktion und Informationsaustausch zweier Parteien benutzt werden. Dabei kann es sich bei den Parteien ebenso um Menschen wie um Maschinen handeln. Maschinen verwenden Fides indem Vertragsschritte automatisiert oder teilautomatisiert ausgeführt werden, indem Fides in ein vorhandenes Softwaresystem integriert wird. Die Sicherheit der Kommunikation wird dadurch garantiert, dass moderne Verschlüsselungs- und Signaturverfahren kombiniert werden. Dies stellt sicher, dass vertrauliche Informationen ausschließlich von den beteiligten Parteien eingesehen werden können. Ein „Contract“ kann somit zunächst als Mittel zur sicheren, nicht verfälschbaren, digitalen Kommunikation zweier Parteien verstanden werden. Innerhalb des Forschungsprojekts wurde durch ein unabhängiges Rechtsgutachten der Universität Frankfurt unter der Leitung von Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann zudem bestätigt, dass die in Fides verwendeten „Cypher Social Contracts“ genutzt werden können, um rechtlich bindende Verträge zu schließen.  Hierbei unterscheidet sich Fides von gängigen Smart Contract Systemen, deren rechtliche Einordnung nicht eindeutig ist.

Im „LandLeuchten“-Projekt wurde Fides bei der Abwicklung verschiedener Bestellprozesse und regionaler Dienste eingesetzt und getestet. Für die einfache Nutzung wurde im Projekt ein intelligenter, digitaler Marktplatz entwickelt. Diese Webplattform funktioniert als Katalog für lokale Angebote und Dienstleistungen die dann in Form eines „Contracts“ in Anspruch genommen werden können. Außerdem beinhaltet der Marktplatz einen Empfehlungsalgorithmus der Kund*innen für sie passende Angebote vorschlägt. Im Projekt wurden mehrere Feldversuche durchgeführt. So wurden Eisbecher vom lokalen Eiscafé Venezia bestellt, Räume in einem regionalen Schulungsgebäude gebucht und ein mobiles Kiosk zu Wanderparkplätzen geordert. Dies sind nur einige wenige Beispiele für die Einsatzmöglichkeiten von Fides, welche durch die offene und generische Natur der Technologie nahezu unbegrenzt sind. Außerdem umfasst das Projekt auch die Entwicklung einer intelligenten Tourenplanung welche für die Effizienz der verschiedenen Mobilitätsdienste wie dem mobilen Kiosk oder den Lieferfahrzeugen sorgt.

Das Projekt wurde von Lars Creutz geleitet, der außerdem für die Entwicklung von Fides hauptverantwortlich war. Unterstützt wurde er bei der Entwicklung von Jens Schneider, der zudem das autonome Hauspost Fahrzeug Posty für die Szenarien des Projekts angepasst hat. Der digitale Marktplatz und graphische Benutzeroberflächen für die Feldversuche wurde von Sam Kopp entwickelt. Neben dem Umwelt-Campus bestand das Projektkonsortium aus der PSI Logistics, den beiden Instituten WZL und HCIC der RWTH Aachen und Innoloft.

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