Die Lebensmittelproduktion und Energie- sowie Wertstoffproduktion treten zunehmend in Konkurrenz (Teller-oder-Tank-Problematik). Eine der großen Zukunftsherausforderungen ist somit, die wachsende Nachfrage nach Nahrungsmitteln sowie Energie- und Wertstoffen bei geringem Ressourcenverbrauch von Agrarfläche, Energie und Wasser nachhaltig bereit zu stellen. Dabei kommen der nachhaltigen Produktion von Proteinen (Eiweiße), Lipiden (Fetten) und Kohlenhydraten (Zucker und Polysaccharide) durch Cyanobakterien, Mikroalgen oder Pflanzen zentrale Bedeutungen zu.
Cyanobakterien beherbergen z. B. einen enormen Pool an nachwachsenden Biopharmazeutika und Feinchemikalien. Dieses Potential wird jedoch kaum erschlossen, da bisherige Produktionsverfahren zu energie- und ressourcenintensiv sind. Demgegenüber nutzt das vorliegende, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte, Forschungsprojekt erstmals photosynthetisierende, austrocknungstolerante Biofilme (terrestrische Cyanobakterien) zur nebel-gesteuerten Produktion von bakteriellen Polysacchariden und Farbstoffen. Hierbei kommt eine ressourcen- und energieeffiziente Verfahrenstechnik zum Einsatz, die mittels einer neuartigen emersen Photobioreaktor-Generation (ePBR) verwirklicht wird. Die neue Systemlösung kombiniert dabei Vorteile der grünen- mit denen der weißen / industriellen Biotechnologie zur Optimierung eines um 20-40% kosteneffizienteren, umweltfreundlicheren Produktionsverfahrens für Biopharmazeutika und Feinchemikalien.
Abbildung 1 zeigt einen ersten Bioreaktor, der federführend von Dr. Lakatos und Prof. Ulber an der TU Kaiserslautern entwickelt wurde. In diesen Reaktor wird nur so viel Feuchtigkeit (Aerosol) eingebracht, wie für den Wachstumsprozess der Cyanobakterien erforderlich ist. Die verwendeten Cyanobakterien sind austrocknungstolerant, d. h. sie sterben bei einer zu geringen Luftfeuchtigkeit nicht ab, sondern trockenen aus und können durch Wiederherstellen der erforderlichen Luftfeuchtigkeit weiterwachsen. Somit wird bei der Produktion Wasser und bei der Ernte Energie für den Trocknungsprozess eingespart.
In der seit Oktober 2015 geförderten Machbarkeitsphase werden bis Jahresende grundlegende Untersuchungen durchgeführt und insbesondere die Optimierung der Produktion vorangetrieben. Hierzu wird die Weiterentwicklung der Plattformtechnologie, sowie eine wirtschaftliche Begleitung fokussiert.
Die interdisziplinäre Forschungsgruppe setzt sich neben der Leitung durch Prof. Lakatos aus Prof Groß (beide Hochschule Kaiserslautern), Prof. Ulber (TU Kaiserslautern), Prof. Schmidt (Hochschule Augsburg), Daniel Abendroth (INOGRAM, Stuttgart), Wirtschaftsexperten der engage AG und Prof. Wahl (Hochschule Trier, Umwelt-Campus Birkenfeld) zusammen.
Aufgaben am Umwelt-Campus
Die Schwerpunkte am Umwelt-Campus liegen in der Entwicklung eines industrienahen Demonstrators und der Umsetzung verschiedener Prototypen. Nach dem Entwurf unterschiedlicher Reaktorkonzepte werden einzelne Prozessschritte, wie z. B. der Ernteprozess, näher untersucht. Hierfür werden im Rahmen von praktischen Studienphasen bzw. anschließenden Bachelorarbeiten (u. a. Herr Manuel Schmitt und Herr Yannik Fuchs) Cyanobakterien auf diverse Oberflächen aufgebracht und mittels verschiedener Prototypen nach einer Anwachsphase abgeerntet.
Für den Ernteprozess ist entscheidend, wie stark die Cyanobakterien auf ihrer Wachstumsfläche haften bzw. welche Kraft für ein Ablösen benötigt wird. Standardisierte Verfahren zu Adhäsionsuntersuchungen mittels Biofilm-ähnlichen oder übertragbaren Methoden sind bisher nicht existent. Um das Haftverhalten der Cyanobakterien unter vergleichbaren Randbedingungen zu untersuchen wurde daher die in Abbildung 2 dargestellte Versuchsapparatur entwickelt und gebaut. Ein beweglicher Schlitten (1) wird durch einen Antrieb (2) linear hin und her bewegt. Auf dem Schlitten können verschiedene mit Cyanobakterien bewachsene Proben befestigt werden. Eine als Schaber umfunktionierte Klinge wird durch einen Schraubentrieb (3) mit einer Federkraft auf die Proben aufgesetzt. Durch die Bewegung des Schlittens werden die anhaftenden Cyanobakterien „abgeschabt“ und dabei entsprechende Kenngrößen zur Adhäsionsbeurteilung ermittelt.
Simulation der Aerosolverteilung
Das Wachstum der Cyanobakterien ist direkt von der Aerosolversorgung abhängig. In Bereichen mit unzureichender Aerosolversorgung ist das Wachstum nicht oder nur limitiert möglich. Um die Eignung verschiedener Konzeptvarianten beurteilen zu können, ist die Kenntnis über das Verhalten des Aerosols im Reaktorinneren ein essentielles Kriterium. Aus diesem Grund wurden, im Rahmen der Masterarbeit von Herrn Kai Scherer, Untersuchungen zum Verhalten des Aerosols mit Hilfe von Strömungssimulationen durchgeführt. Die Simulationen wurden in der Software Siemens NX 11 angefertigt. Die Simulationsmethoden wurden zunächst an einem einfachen Modell betrachtet und die Simulationsergebnisse mit realen Versuchsergebnissen vergleichen.
Die durchgeführten Simulationen weisen eine sehr gute Übereinstimmung mit den Versuchen auf. In einem nächsten Schritt werden unter Zuhilfenahme der Simulationsmethoden Bereiche mit geringer Aerosolkonzentration identifiziert und beispielsweise durch Optimierung der Reaktorgeometrie beseitigt. Weiterhin werden die Simulationsmethoden auf ausgewählte Konzeptideen übertragen, um so wichtige Erkenntnisse für die detailliertere Ausarbeitung und die Umsetzung ausgesuchter Prototypen zu gewinnen.
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