Ein Projekt des Instituts für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) zur Kaskadennutzung regionaler Reststoffe im Landkreis Neunkirchen
In diesem Jahr war bereits am 02. August der sogenannte „Earth Overshoot Day“ erreicht. Das bezeichnet den Tag, an dem wir Menschen alle natürlichen Ressourcen, welche die Erde innerhalb eines Jahres nachhaltig zur Verfügung stellen kann, aufgebraucht haben. Demnach benötigten wir 1,7 Erden, damit wir unseren jährlichen Ressourcenhunger decken können (vgl. www.earthovershootday.org). Die Organisation „Global Footprint Network“ berechnet dieses Datum jährlich, um zu zeigen, dass ein verantwortungsbewusster und umweltschonender Umgang mit unseren Lebensgrundlagen, vor dem Hintergrund knapper werdender Ressourcen, immer wichtiger wird. In diesem Zusammenhang leistet die Abfall- und Kreislaufwirtschaft einen wesentlichen Beitrag zur Schonung natürlicher Ressourcen, durch die Rückführung von Reststoffen in einen geschlossenen Stoffkreislauf; beispielsweise mithilfe von Re- bzw. Upcycling. Im Gegensatz zum Recycling wird beim Upcycling das Material des Abfallprodukts sowie seine Ursprungsform genutzt, um neue, höherwertige Produkte, wie beispielsweise Möbel, herzustellen (vgl. Kopf et al., 2015 S. 293). Die Idee des Upcycling Zentrums Neunkirchen zielt darauf ab, den oben genannten Ansatz im Landkreis Neunkirchen zu professionalisieren und regional anfallende Reststoffe, durch eine Kaskadennutzung (Mehrfachnutzung), wieder dem Stoffkreislauf zuzuführen.
Das Upcycling Zentrum ist eines von vier Startprojekten innerhalb der Modellregion Neunkirchen und wird derzeit noch aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), im Rahmen des Fördervorhabens „Land(auf)Schwung“, bis 2019 gefördert. Das „Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS)“ der Hochschule Trier begleitet die Modellregion Neunkirchen bei der Entwicklung und Umsetzung des zukunftsweisenden Projekts und fungiert als Projektträger.
Aufgabe des Forschungsvorhabens ist es mitunter, den Beitrag des Upcycling zur Schonung natürlicher Ressourcen zu belegen und in Form von Kennziffern zu quantifizieren. Spezifisch geht es hier um die Vorteile einer stofflichen gegenüber einer energetischen Verwertung der eingesetzten Materialien. Darauf aufbauend soll eine Aussage getroffen werden, inwiefern der Ansatz eines „Upcycling Zentrums“ auf weitere Regionen übertragen und hierdurch ein Beitrag zu den deutschen Klimaschutzzielen geleistet werden kann. Des Weiteren wird untersucht, ob das Projekt langfristig kostendeckend durchgeführt werden kann und wie eine erfolgreiche Vermarktung der Produkte ausgestaltet sein muss.
Zum Projektstart im Landkreis Neunkirchen stand eine umfangreiche Stoffstromanalyse im Vordergrund, welche vom IfaS durchgeführt wurde. Hierbei wurden u. a. Verfügbarkeit, Organisation und Logistik von regionalen Reststoffen untersucht sowie potenzielle Partnerunternehmen identifiziert. So konnte das IfaS bereits diverse Kooperationen mit Unternehmen aufbauen, die ihre Reststoffe, wie zum Beispiel Textilien, Holzpaletten, Kartonagen sowie Kunststoffe dem Upcycling Zentrum bereitstellen.
Nachdem die erste Stoffstromanalyse erfolgreich abgeschlossen wurde, galt es, kreative Ideen und Designs zur Herstellung neuer Produkte aus den akquirierten Reststoffen zu entwickeln. Im Hinblick auf die Vermarktbarkeit besitzt die Professionalisierung der kreativen gestalterischen Arbeit einen besonderen Stellenwert. Es gilt, sich von konventionellen Produkten abzuheben und den Mehrwert eines Upcycling-Produkts über die Materialauswahl, das Design und die Verarbeitungsschritte darzustellen. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei den Studierenden der „Hochschule der bildenden Künste Saar (HBK Saar)“ zu, die maßgeblich am Design und der Entwicklung der Produkte beteiligt sind. Auf diese Weise kann sowohl eine hohe Professionalität der Entwürfe gewährleistet als auch den Studenten die Möglichkeit geboten werden, ihre theoretischen Kenntnisse in der Praxis umzusetzen. Auf diese Weise konnten bereits über 70 unterschiedliche Produkte entwickelt werden.
Das Projekt verfügt ferner, durch die Einbindung von Immigranten und die Qualifizierung von Arbeitssuchenden, über eine soziale Komponente. Diese werden vorrangig in der Fertigung der Produkte eingesetzt. Neben der Vermittlung von handwerklichen und berufsspezifischen Fertigkeiten, findet ebenfalls eine intensive sozialpädagogische Betreuung der Beschäftigten statt. Hierdurch werden lokale Arbeitskräfte für den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt qualifiziert. Die sozialen Aspekte stehen somit auf einer Ebene mit den kreativen und ökologischen Zielen des Projektes. Insgesamt konnten mittlerweile bereits mehr als 400 Produkte hergestellt werden.
Innerhalb der Projektlaufzeit wird ein geeignetes Vermarktungsinstrument entwickelt. Dieses zielt auf eine langfristig tragbare Projektstruktur ab, welche ohne direkte Förderung auskommen kann. Um die Akzeptanz der Upcycling-Produkte in der Bevölkerung zu evaluieren, wurden zwei Fragebogenerhebungen durchgeführt. Diese ergaben eine durchweg positive Resonanz der Bürger gegenüber dem Projekt, was für eine anschließende Vermarktung von ausschlaggebender Bedeutung ist. Die derzeitige Produktpalette umfasst über 30 unterschiedliche Produkte, die aktiv vermarktet werden. Hierzu gehören beispielsweise diverse Bankvarianten aus Althölzern, Hocker aus Kartonage sowie Bälle und Taschen aus Textilien.
Im Rahmen der Vermarktungsstrategie wurde eine Ausstellungsfläche für die Prototypen, in der Hohlstraße 29 in 66538 Neunkirchen, eingerichtet. Diese ist dem öffentlichen Publikum zugänglich und bietet einen physischen Eindruck der Upcycling-Produkte. Darüber hinaus wird zurzeit ein Webshop aufgebaut, welcher in Kürze über die Domain-Adresse www.upcycling-saar.de erreicht werden kann. Eine zweite Stoffstromanalyse über die Regionalgrenzen hinweg wird gerade durchgeführt. Hierbei konnten bereits über 60 zusätzliche Unternehmen identifiziert und kontaktiert werden. Das Projekt kann mittlerweile ca. 30 Personen beschäftigen. Nach Ablauf der Förderperiode (2016 - 2019) soll das Upcycling Zentrum mit seinen Vermarktungswegen soweit etabliert sein, dass es sich selbst finanzieren kann.
Bildquellen: Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) / Upcycling Zentrum Neunkirchen
Sie verlassen die offizielle Website der Hochschule Trier