KI-basierte Füllstandserkennung

Allgemeine Beschreibung

Die Erfassung und Überwachung von Füllständen spielt in vielen Bereichen eine zentrale Rolle, beispielsweise in der Abfallwirtschaft, bei Lager- und Logistikprozessen oder in industriellen Anwendungen. Hierbei geht es darum, rechtzeitig erkennen zu können, wann ein Behälter geleert oder weiterverarbeitet werden muss, um Ressourcen effizient zu nutzen und unnötige Leerfahrten zu vermeiden. Eine präzise und gleichzeitig kostengünstige Füllstandsermittlung ist daher für moderne, vernetzte Systeme von großem Interesse.

Der hier vorgestellte Intelligente Abfallbehälter nutzt hörbare akustische Signale, um den aktuellen Füllstand zu bestimmen. Ein Sinussignal, dessen Frequenz über die Zeit ansteigt (Sweep), wird in den Behälter gesendet. Anschließend erfasst ein Mikrofon sowohl das direkt eintreffende Signal als auch die Reflexionen innerhalb des Behälters. Auf Basis dieser Aufzeichnungen wird mithilfe eines speziell hierfür entwickelten KI-Modells namens SIREC (Sonic Impulse Response Ensemble Classifier) der Füllstand vorhergesagt. Die Besonderheit hierbei ist, dass die gesamte Auswertung lokal auf einem kostengünstigen ESP8266-Board erfolgen kann und damit keine aufwendige Server-Infrastruktur notwendig ist.

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Versuchsaufbau
Intelligenter Abfallbehälter und seine Komponenten zur Füllstandsmessung

Der Versuchsaufbau besteht im Wesentlichen aus folgenden Komponenten:  

  1. Behälter: Ein herkömmlicher Abfallbehälter dient als Demonstrator. Für die Versuche wurden verschiedene Füllmaterialien (z. B. Stroh, Karton) genutzt, um unterschiedliche Reflexionseigenschaften zu simulieren.
  2. Signalquelle (Lautsprecher/Signalgeber): Ein Lautsprecher oder Schallwandler erzeugt ein ansteigendes Sinussignal im hörbaren Frequenzbereich, das in den Behälter gesendet wird.
  3. Mikrofon: Ein einfaches Elektret-Mikrofon (z.B. MAX4466-Modul), angeschlossen an das ESP8266-Board, nimmt das ausgesendete Signal sowie die reflektierten Schallwellen auf.
  4. ESP8266-Board: Auf dem Mikrocontroller läuft das KI-Modell SIREC lokal. Das Board dient somit sowohl zur Datenerfassung als auch zur Auswertung, ohne dass externe, rechenintensive Dienste erforderlich sind.
  5. Stromversorgung: Eine einfache Batterie- oder Netzteilversorgung stellt den Betrieb aller Komponenten sicher.
Datenvorverarbeitung & Methodik
  1. Rauschreduktion
    • Rauscherfassung: Um Hintergrundrauschen zu eliminieren, wird vor dem Abspielen des Sinussignals eine kurze Aufnahme durchgeführt, um ein Rauschspektrum zu bilden.
    • Spektrale Subtraktion: Anhand von diesem Rauschspektrum werden unerwünschte Frequenzanteile aus dem Mikrofonsignal entfernt.
  2. Approximation der Raumimpulsantwort (RIA)
    • Im Frequenzbereich wird die Fourier-Transformierte des Mikrofonsignals durch die Fourier-Transformierte des ausgesendeten Sinussignals geteilt. Durch die anschließende inverse Fourier-Transformation entsteht eine approximierte RIA.
    • Die daraus entstehenden RIAs enthalten charakteristische Informationen über die Reflexionseigenschaften des Behälters und somit indirekt über dessen aktuellen Füllstand. Sie bilden die Grundlage für das KI-Modell SIREC.
  3. SIREC
    • Merkmalsgewinnung: Aus den RIA-Daten werden Merkmale extrahiert (z. B. Amplituden, Frequenzanteile, etc.).
    • Ensemble-Klassifizierung: Mehrere Entscheidungsbäume werden trainiert und kombiniert, um eine robuste Vorhersage des Füllstandes zu ermöglichen. Verschiedene Klassifikationsstufen (bspw. 0 %, 25 %, 50 %, 75 %, 100 %) bilden dabei den Ausgabewert.
Datenvorverarbeitung & Methodik: Abbildungen
Flussdiagramm des methodischen Ansatzes unseres Systems
Eingesetztes Anregungssignal
Beispiel einer berechneten Raumimpulsantwort
Methodik hinter SIREC
Evaluation

In der Evaluation wurde das gesamte Konzept an einem realen Abfallbehälter getestet, indem sowohl Stroh als auch Karton als Füllmaterial verwendet wurden. Ziel war es, den Füllstand in fünf Klassifikationsstufen vorherzusagen: 0%, 25%, 50%, 75% und 100%. Im Vergleich von 15 KI-Algorithmen zeigte sich, dass SIREC hinsichtlich der Genauigkeit den ersten Platz mit einer Trefferquote von über 90% belegte. Darüber hinaus wurde die Energieeffizienz von SIREC untersucht, wobei festgestellt wurde, dass es im Vergleich zu ähnlich aufgebauten Architekturen teilweise deutlich energieeffizienter arbeitet. Es gab jedoch auch Algorithmen, die noch energieeffizienter waren, allerdings mit Abstrichen bei der Genauigkeit.

Evaluation: Abbildungen
Boxplots (F1-Score; rote gestrichelte Linie zeigt den Mittelwert, durchgezogene Linie den Median) und Konfusionsmatrizen der betrachteten ML-Modelle über 100 Trainings- und Testiterationen.
Vergleich zwischen SIREC und dem zweitplatzierten Modell RISE
Erweiterte Einsatzbereiche

Neben der Abfallwirtschaft lässt sich das Konzept auch auf andere Szenarien übertragen, bei denen die Erfassung von Innenraumeigenschaften über Reflexionssignale im Vordergrund steht. So wurde der Ansatz bereits erfolgreich an kleineren Behältertypen sowie für das Thema Schallortung getestet. Die erzielten Ergebnisse waren vergleichbar überzeugend, was darauf schließen lässt, dass sich diese akustische Reflexionsmethode allgemein für Zustandsüberwachungen in verschiedenen Bereichen eignet.

Erweiterte Einsatzbereiche: Abbildungen
Kleiner Demonstrator zur Füllstandsmessung mit kleineren Behältern, bei dem die Methodik erfolgreich erprobt wurde.
Kleiner Demonstrator zur Schallortung, bei dem die Methodik erfolgreich erprobt wurde.
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