Projekt des Monats

Soziale Medien zur Erfassung von Mensch-Umwelt-Interaktionen

Sie sind eine der meistgenutzten digitalen Applikationen unserer Zeit – die sozialen Medien. Jeden einzelnen Tag wird eine unglaubliche Menge an Daten, in Form von Fotos, Tags, Kommentaren und Likes hochgeladen und geteilt. Diese neue Datenquelle rückt zunehmend nun auch in den Fokus von umweltbezogenen Fragestellungen.

Mit ihr lassen sich z.B. Fragen zu Besucherhäufigkeit von Schutzgebieten beantworten, indem Häufigkeiten von Posts analysiert werden. Die Vorteile der Methode liegen vor allem im Bereich der Quantität und Effizienz: im Gegensatz zu herkömmlichen Befragungen können wesentlich mehr Datenpunkte analysiert werden, zudem sind die zeitlich und räumlich höher aufgelöst, da die meisten Posts über georeferenzierte Metadaten verfügen. Außerdem bieten die Daten die Chance Eindrücke und Wahrnehmungen der Menschen quasi „unbeobachtet“ aufzunehmen gegenüber der klassischen Situation in Interviews mit Befragten und Fragenden.

In der Arbeitsgruppe Interdisziplinärer Umweltschutz, Prof. Stoll, untersucht Nina N. Kaiser in unterschiedlichen Teilprojekten, wie man freiwillig geteilte Beiträge aus sozialen Medien nutzen kann, um Erkenntnisse über Mensch-Umwelt-Interaktionen zu gewinnen. In ihrer Doktorarbeit befasst sie sich mit den Effekten von Fließgewässerrenaturierung auf sogenannte kulturelle Ökosystemleistungen. Hinter diesem Fachbegriff verbergen sich die unterschiedlichen Nutzenstiftungen (engl. benefits), die Menschen in einem Naturgebiet erhalten. Das können z.B. ästhetische Werte sein oder sportliche Aktivitäten. Diese in der Regel immateriellen Werte lassen sich mit herkömmlichen Methoden nur schwer quantifizieren und messen. Beiträge aus sozialen Medien haben sich als geeignete Hilfsgröße erwiesen um solche Mensch-Umwelt-Interaktionen zu erfassen. Fotos aus öffentlichen Profilen sozialer Netzwerke werden mittels automatischer Bilderkennung analysiert und mit bis zu 20 labels versehen. Die entstehende Matrix wird einer Clusteranalyse unterzogen, um so Muster zu erkennen, welche Aktivitäten und Nutzungsformen im Untersuchungsgebiet wahrgenommen werden oder nicht. Solche Informationen können anschließend verwendet werden um infrastrukturelle Defizite auszugleichen (z.B. öffentliche Toiletten, Müllentsorgung) oder Managementmaßnahmen, wie temporäre Betretungsverbote für sensible Habitat auszusprechen, wenn sich gezeigt hat, dass die Nutzung Auswirkungen auf Populationen hat.

In einem weiteren Projekt untersucht sie, welche unterschiedlichen Aktivitäten und Nutzungen in einem Gewässer-Einzugsgebiet im Hunsrück vorkommen. Diese Grundlagendaten sollen einfließen in einen ganzheitlichen Managementplan für das Einzugsgebiet.
In einem dritten Projekt wird untersucht wie unterschiedliches Schutzgebietsmanagement von Besucherinnen und Besuchern wahrgenommen wird. 

Die in diesen Arbeiten untersuchten und zu untersuchenden sozialen Medien sind vor allem Flickr, Instagram, Twitter, VKontakte und Strava.

Abbildung 1: Hierarchisches Clustern von Fotos mit 20 labeln in 7 Gruppen. Aus: Kaiser et al. (2021): Societal benefits of river restoration – implications from sosial media analysis. Ecosystem services 50: 101317
Abbildung 2: Ergebnisse der Bilderkennung und der Anwendung von sieben labels. Die rechte Seite zeigt die erkannten Bildelemente und einen dazugehörigen Konfidenzwert.
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