Wie funktionieren Prognosemodelle

Zielsetzung

Kipp-Punkte Klimawandel
Umkipp-Punkte Klimawandel., Quelle: Katharina Theis-Bröh, https://www.scientists4future.org/infomaterial/sketchnotes/

In diesem Projekt lernen wir, wie Klimavorhersagen funktionieren und wie man mit einfachen Mitteln Temperatur- und Klimadaten auswerten und prognostizieren kann.

Ziele:

  • Unterschied zwischen White-Box-, Black-Box- und Grey-Box-Modellen verstehen
  • Einfache lineare Vorhersage mit Temperaturdaten programmieren
  • MATLAB zur Modellierung und Visualisierung nutzen
  • PT1-Verhalten als realistische Reaktion bei Raumtemperatur erfassen
  • Wirkung von Wärmespeicherung und Verzögerung physikalisch interpretieren
a) Prognosemodelle: Von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen

Klimamodelle basieren auf Daten der Vergangenheit und werden genutzt, um zukünftige Entwicklungen vorherzusagen. Man unterscheidet dabei zwischen:

  • White-Box-Modellen: basieren auf physikalischem Wissen (z. B. Klimamodelle).
  • Black-Box-Modellen: nutzen nur Daten ohne Systemwissen (z. B. maschinelles Lernen).

Ein Beispiel für ein White-Box-Modell ist der Spannungsteiler aus der Physik, dessen Spannung U₁ sich mit bekannter Formel berechnen lässt:

U₁ = R₁ / (R₁ + R₂) * U

In der Praxis müssen Modelle oft kalibriert werden, da manche Parameter (wie R₁) nur ungenau bekannt sind. Mit Hilfe von Messdaten und Optimierungsverfahren kann man solche unbekannten Parameter bestimmen. Das nennt man Modellkalibrierung oder Parameteridentifikation.

Fazit: Wie beim Spannungsteiler passen wir auch in Klimamodellen die Parameter an Messdaten an, um zukünftige Werte vorhersagen zu können.

b) Klimaprognose: Modelle auf den Säulen der Physik

Klimaprognosen nutzen physikalisch fundierte „White-Box“-Modelle (z. B. Erhaltungssätze, Thermodynamik), um Zielgrößen wie die zukünftige Erdtemperatur abhängig von Einflussgrößen (z. B. CO₂-Emissionen) zu berechnen.

Das Klimasystem ist sehr komplex, da:

  • viele Parameter beteiligt sind,
  • Speicherelemente wie Ozeane berücksichtigt werden müssen,
  • es sich um ein dynamisches System handelt, das mit Differentialgleichungen beschrieben wird (zeitliche Veränderungen),
  • die Prozesse räumlich verteilt sind (Ozeane, Landmassen, Atmosphäre),
  • und die Modelle sehr rechenaufwendig sind.

Da die Gleichungen schwer umstellbar sind, nutzt man Parameteridentifikation mit historischen Daten zur Kalibrierung. Dennoch bleiben Ungenauigkeiten und Fehlerquellen, weshalb man nur Wahrscheinlichkeitsszenarien angeben kann.

Fazit: White-Box-Klimamodelle sind trotz ihrer Komplexität notwendig, um verlässliche Vorhersagen über zukünftige Entwicklungen zu machen.

c) Lineares Prognosemodell für Klimadaten im Klassenzimmer

Wenn man keine Informationen über innere Zusammenhänge eines Systems hat, nutzt man empirische Modelle wie lineare Funktionen oder künstliche neuronale Netze (ANN) – sogenannte „Black-Box“-Modelle.  Diese beruhen nur auf vorhandenen Daten, ohne physikalischen Bezug.

Ein einfaches Beispiel ist eine lineare Ausgleichsgerade mit den Parametern Steigung und Offset, die aus Messdaten berechnet werden. Solche Modelle können nur kurzfristige Vorhersagen treffen.

Im Praxisbeispiel wird der Temperaturverlauf im Klassenzimmer mit einem linearen Modell geschätzt:

T(t) = Steigung · t + Offset

Mit wenigen Messpunkten kann man diese Parameter berechnen (z. B. mit der Zweipunkteform oder über polyfit in Matlab). Unter der Annahme eines konstanten Verlaufs kann man damit kurzfristige Prognosen machen, z. B. für die nächsten 5 Minuten.

d) Klimavorhersagen bitte so „weiß“ wie möglich.

Der Unterschied zwischen White-Box- und Black-Box-Modellen wird am Beispiel einer Kuckucksuhr erklärt:

  • White-Box-Modellierer öffnet die Uhr, analysiert Zahnräder und berechnet mit physikalischen Gleichungen die Zeigerbewegung – ohne historische Daten.
  • Black-Box-Modellierer beobachten nur die Zeigerstellungen über Zeit und erstellen daraus eine lineare Schätzung.

Beide können kurzfristige Vorhersagen treffen. Aber der White-Box-Modellierer kennt auch versteckte Mechanismen – wie z. B. den Kuckuck –, die im Modell berücksichtigt sind.

Auf das Klima übertragen:
White-Box-Modelle können potenzielle „Umkipp-Punkte“ (Tipping Points) erkennen – also irreversible, gefährliche Veränderungen, die man mit reinen Black-Box-Modellen möglicherweise nie entdecken würde. Daher sind White-Box-Modelle unverzichtbar für überlebenswichtige Klimavorhersagen.

e) Lineare Prognosen mit Python

In diesem Abschnitt nutzen wir eine kleine Python-Implementierung, um mithilfe eines einfachen linearen Modells einen Temperaturtrend über die Jahre zu prognostizieren. Unsere Vorgehensweise:

  • Wir definieren historische Temperaturdaten (z. B. Jahresdurchschnittswerte) und verwenden diese als Trainingsbasis.

  • Anschließend berechnet das Modell eine Regressionsgerade, also eine Linie der Form

                                              T=a⋅Jahr+b                                                                                                                                                      mit a = Steigung (Temperaturanstieg pro Jahr) und b = Achsen­abschnitt.
  • Mit dieser Gerade lassen sich zukünftige Temperaturwerte abschätzen (z. B. für ein Jahr in der Zukunft).

  • Die Visualisierung zeigt sowohl die gemessenen Datenpunkte als auch die Regressionslinie – so wird der Trend unmittelbar sichtbar.

  • Diese Methode ist bewusst einfach und datenbasiert (also ein Black-Box Ansatz) und eignet sich insbesondere zur anschaulichen Einführung in Prognosemodelle – wie es auf dieser Seite thematisiert wird.

Black-Box Modell lineare Vorhersage (Zweipunktegleichung)

a. Black-Box-Modell: Lineare Vorhersage mit Zweipunktegleichung

In diesem Beispiel wird ein einfaches lineares Prognosemodell für Temperatur- und Luftfeuchte-Vorhersagen im Klassenzimmer umgesetzt – basierend auf der ThingSpeak-Cloud von MathWorks, mit eigener MATLAB-Integration.

Schritte zur Umsetzung:

  1. Registrierung bei ThingSpeak
    → Kostenloser Account mit E-Mail-Adresse.

  2. Kanal erstellen
    → Zwei Felder: Temperatur & Luftfeuchte (vgl. Schulklima-Projekt).

  3. IoT-Daten senden
    → z. B. via Octopus-Board mit api.thingspeak.com.

  4. Modell erstellen (Matlab Visualization)
    → ThingSpeak-Daten per MATLAB-Skript auslesen (thingSpeakRead), lineare Zweipunkte-Gerade berechnen (Steigung & Offset), Prognose für z. B. 5 Minuten simulieren & plotten.

  5. Modell testen
    → „Save and Run“ starten, Vorhersage erscheint visuell.

  6. Darstellung einbinden
    → „Add Visualizations“ im ThingSpeak-Dashboard. Hinweis: Aktualisierung nur alle 10 Minuten, manuelles Update nötig für häufigere Prognosen.

Kanal anlegen im Thingspeak
Die Firma Mathworks betreibt einen aktuellen Thingspeak-Server im Internet, der MATLAB-Code ausführen kann und so eine modellgestützte Verarbeitung der Messdaten erlaubt. Hier konfigurieren wir einen neuen Kanal und gestalten allen Interessierten den Zugriff (Sharing).
Superblock Thingspeak
Der bekannte Superblock zur Thingspeak-Kommunikation funktioniert auch mit der URL api.thingspeak.com von Mathworks.
MATLAB Code erstellen
Unter Apps wird die Erstellung eines Matlab-Skriptes ermöglicht.
Prognosemodell
Dort geben wir unsere Modellvorstellung ein. Am einfachsten per Cut&Paste aus der oben angebotenen Vorlage. Hier realisieren wir ein lineares Vorhersagemodell, welches den Trend der letzten 5 Minuten zur Vorhersage der nächsten 5 Minuten nutzt. Die Steigung und der Offset der Geradengleichung wird einfach aus der Zweipunkteform der Geraden generiert. So vereinfacht sich die Parameteridentifikation ganz erheblich. Die zwischen den beiden Endpunkten liegenden Daten gehen aber gar nicht in die Kalibrierung ein. Per "Save&Run" können wir das Ergebnis der Vorhersage beobachten.
Integration in die Visualisierung
Die neue Grafik können wir auch auf die Hauptseite unserer Visualisierung integrieren. Leider wird die Grafik hier nur alle 10 Minuten automatisch aktualisiert.

b. Grey-Box-Modell für PT1-Verhalten

Beim Temperaturverlauf im Klassenraum beobachten wir ein sogenanntes PT1-Verhalten (System mit Verzögerung erster Ordnung), z. B. beim Aufdrehen der Heizung oder Öffnen eines Fensters. Die Temperatur passt sich verzögert an, weil Wände und Luft Wärme speichern.

Mathematisch wird das Verhalten durch die Sprungantwort T(t) = p₁ · (1 – exp(–t / p₂)) beschrieben – mit den Parametern p₁ und p₂, die wir mithilfe eines Grey-Box-Modells bestimmen.

Umsetzung:

  • Das System wird nicht exakt physikalisch modelliert, aber es fließt Systemwissen ein.
  • Die Parameter p₁ und p₂ werden per Optimierung gefunden, z. B. mit dem fminsearch-Befehl in MATLAB, basierend auf dem Downhill-Simplex-Verfahren (Nelder-Mead).
  • Parallel dazu wird auch eine lineare Ausgleichsgerade (via polyfit) berechnet.
  • Am Ende vergleicht man den quadratischen Fehler beider Modelle und wählt die passendere Methode.

Live-Beispiel der Prognose im Hörsaal: Thingspeak-Visualisierung / MATLAB-Vorlage zum Grey-Box-Modell: Hier bereitgestellt

Nichtlineares Modell Matlab-Code
Hier ziehen wir alle Register der MATLAB-Programmierung und nutzen ein nichtlineares Optimierungsverfahren zur Bestimmung der Parameter.
Modellvorhersage
Als Ergebnis bekommen wir die Sprungantwort eines PT1-Systems als mögliches Vorhersageverhalten beschrieben.

Was passiert in echt?

  • Temperatur im Klassenraum verändert sich nur langsam
  • Betonwände speichern Wärme – Effekt des PT1-Verhaltens
  • MATLAB-Visualisierung zeigt, wie sich Temperatur entwickelt
  • Schüler können mit aktuellen Werten Prognosen erstellen
  • Thema Nachhaltigkeit und Energieeffizienz wird verständlich gemacht
back-to-top nach oben