Luftqualität in Innenräumen spielt eine entscheidende Rolle für Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Infektionsschutz. Gerade in Schulen, Hochschulen und anderen Gemeinschaftsräumen ist sie ein wesentlicher Faktor für Wohlbefinden und Sicherheit.
CO2-Messung und bedarfsorientierte Lüftung sind einfache, wirksame und nachhaltige Maßnahmen zur Verbesserung der Raumluft. Sie stärken die Gesundheit, unterstützen den Lernerfolg und fördern technologische Bildung. Eine moderne Gesellschaft sollte diese Potenziale konsequent nutzen.
Hygienemaßnahmen, Abstand und Masken haben ein gemeinsames Ziel: Sie senken das Ansteckungsrisiko und damit die Zahl der Weiterübertragungen. Wird diese Reproduktionszahl dauerhaft unter 1 gedrückt, kann eine Ausbreitung eingedämmt werden.
Wo Abstand und Masken schwer umzusetzen sind – etwa in Klassenräumen – braucht es zusätzliche Werkzeuge. Ein einfaches und wirksames Instrument ist das Monitoring des CO2-Gehalts in der Innenraumluft, das Rückschlüsse auf die Luftqualität und das Infektionsrisiko erlaubt.
Beim Atmen geben Menschen Kohlendioxid (CO2) ab, das sich in geschlossenen Räumen anreichern kann. Mit der Ausatemluft gelangen zugleich winzige Flüssigkeitströpfchen (Aerosole) in die Umgebung, die über längere Zeit in der Luft verbleiben. Enthalten diese Aerosole Krankheitserreger, steigt mit der CO2-Konzentration auch das Risiko einer Übertragung. CO2 dient daher als indirekter Indikator für Luftqualität und Infektionsgefahr.
Bedarfsorientiertes Lüften statt Dauerlüften
Zu wenig Frischluft erhöht das Infektionsrisiko, übermäßiges Lüften hingegen führt zu Energieverlusten und belastet das Klima. Eine CO2-Ampel unterstützt dabei, den richtigen Zeitpunkt und die passende Intensität für das Lüften zu bestimmen.
CO2-Messgeräte lassen sich einfach erwerben – oder selbst bauen. Beim Selbstbau werden naturwissenschaftliche und digitale Kompetenzen vermittelt (Physik, Biologie, Chemie, Informatik) und es eröffnen sich Möglichkeiten für Zusatzfunktionen, die über Standardgeräte hinausgehen. So wird Technikkompetenz mit praktischer Gesundheitsvorsorge verknüpft.
Auch jenseits von Epidemien oder Pandemien sorgt gute Luftqualität für bessere Konzentration, höhere Leistungsfähigkeit und mehr Wohlbefinden. Der Einsatz von CO2-Sensorik und digitalen Hilfsmitteln fördert nicht nur die Infektionsprävention, sondern auch den Klima- und Ressourcenschutz.
An dieser Stelle möchten wir auch auf einen Zusammenhang zwischen Luftfeuchtigkeit und möglichen Infektionsrisiko hinweisen:
Ein Forscherteam des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung empfiehlt deshalb eine realtive Luftfeuchtigkeit von 40-60 % in Innenräumen. Die meisten CO2-Ampeln zeigen auch die realtive Feuchtigkeit der Raumluft an. Durch häufiges Lüften im Winter wird diese eher zu niedrig ausfallen. Eine Erhöhung lässt sich z.B. durch viele Zimmerpflanzen auf dem Fensterbrett oder einer Schale Wasser auf dem Heizkörper erzielen.
Im Folgenden wollen wir eine IoT-Anwendung bauen, um das Infektionsrisiko in Innenräumen zu quantifizieren und in Form einer Risiko-Ampel zu visualisieren. Zeigt die Ampel gelb oder rot, ist es Zeit, die Fenster zu öffnen, oder den Raum zu verlassen. (Natürlich setzen sich die Aerosole aufgrund der Schwerkraft irgendwann ab, ein nichtbelüfteter Raum mit "schlechter Luft von gestern" ist vielleicht harmlos, aber darauf wollen wir es natürlich nicht ankommen lassen).
Dazu benötigen wir einen Sensor für die CO2-Konzentration. Typisches Messverfahren für Kohlendioxid ist die Infrarot-Absorption. Hier gibt es viele verschiedene Modelle auf dem Markt, teilweise mit analogem Ausgang, so dass ein Anschluss an den Octopus einfach mit dem AnalogRead-Baustein erfolgen kann. Zur Anzeige bietet der Maker-Bedarf verschiedene Optionen. Ob Ampel, Zahlenwert, oder Textausgabe: Die grafischen Blöcke der IoT2-Werkstatt bieten maximale Flexibilität bei der Prgrammierung. Der eigenen Kreativität sind praktisch keine Grenzen gesetzt.
Zum Bau sind nur wenige Schritte notwendig. Wie das genau geht, zeigen wir euch hier Schritt für Schritt.
Hinweis: Unsere Selbstbau-Ideen basieren auf der Hardware des IoT-Octopus oder des Adafruit Feather HUZZAH ESP8266. Unsere IoT-Werkstatt bietet aber auch die ideale Plattform für alle anderen esp8266 basierten Systeme (NodeMCU, Wemos D1). Den dazu notwendigen Schaltplan des Octopus gibt es hier. Leider ist der Weltmarkt an Bauteilen mittlerweile fast leergefegt. Guido Burger bietet eine DIY-Universalplatine und Bausätze, mit der sich noch verfügbare Komponenten nutzen lassen. Auch die Make aus dem Heise-Verlag verschenkt solche Platinen.
Besitzer eines Octopus mit Bosch BME 680 Umweltsensor können den eingebauten VOC-Sensor (volatile organic compounds, flüchtige organische Komponenten) nutzen, um CO2 abzuschätzen (CO2-Equivalent).
Das Funktionsprinzip: Beim Gasaustausch in der Lunge sind nicht nur CO2 und Sauerstoff beteiligt, sondern es gehen weitere Blutbestandteile in die Luft über. Diese organischen Komponenten führen zu einer erhöhten VOC-Konzentration der ausgeatmeten Luft. Ein Software-Sensor in der BSEC-Bibliothek des BME 680 rechnet diese in equivalente CO2-Konzentrationen um. Wir messen damit also nur das von Personen ausgeatmete CO2, das CO2 einer Sprudelflasche könnte dieser Softwaresensor nicht detektieren. Ein Effekt, der für unsere aktuelle Anwendung geradezu ideal passt. Allerdings sollen die Nachteile hier nicht verschwiegen werden: Auch andere VOC-Quellen (Desinfektionsmittel, Alkohol, Mundgeruch, Formaldehyd) verfälschen die Messung. Ggf. müssen die Alarmgrenzen also etwas angepasst werden. Mehr Informationen und Hintergründe zu VOC in Schulen z.B. im Leitfaden für die Innenraumhygiene in Schulgebäuden des Umweltbundesamtes.
Hinweis: Der Software-Sensor benötigt einige Zeit zur Selbstkalibrierung. Der Zustand der Kalibrierung wird im Sensorkanal "IAQ Accuracy" angezeigt. (Accuracy 0: Sensor nicht stabil bis Accuracy 3: Sensor erfolgreich kalibriert). Weitere Information dazu hier. So ein Softwaresensor ist jedenfalls ein tolles Beispiel für den Einsatz von Modellbildung und Machine Learning.
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