
Luftqualität in Innenräumen spielt eine entscheidende Rolle für Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Infektionsschutz. Gerade in Schulen, Hochschulen und anderen Gemeinschaftsräumen ist sie ein wesentlicher Faktor für Wohlbefinden und Sicherheit. CO2- oder VOC-Messung und bedarfsorientierte Lüftung sind einfache, wirksame und nachhaltige Maßnahmen zur Verbesserung der Raumluft. Sie stärken die Gesundheit, verbessern die Konzentrationsfähigkeit und unterstützen den Lernerfolg. Eine moderne Gesellschaft sollte diese Potenziale konsequent nutzen.
Wir lernen:
Weitergehende Informationen in unserem aktuellen Artikel über "German Lüften" bei Heise-online. Unsere Bauanleitung stammt aus der Corona-Zeit und hat weltweite Verbreitung gefunden. Mehr dazu im Artikel "5 Jahr DIY Ampel".
Im Folgenden wollen wir eine IoT-Anwendung bauen, um das Infektionsrisiko in Innenräumen zu quantifizieren und in Form einer Risiko-Ampel zu visualisieren. Zeigt die Ampel gelb oder rot, ist es Zeit, die Fenster zu öffnen, oder den Raum zu verlassen. (Natürlich setzen sich die Aerosole aufgrund der Schwerkraft irgendwann ab, ein nichtbelüfteter Raum mit "schlechter Luft von gestern" ist vielleicht harmlos, aber darauf wollen wir es natürlich nicht ankommen lassen).
Dazu benötigen wir einen Sensor für die Luftqualität. Hier gibt es zwei Varianten: Die verbreitete Variante sind CO2-Sensoren wie der SCD 30 von Sensirion, der per I2C-Grove an den Microcontroller angeschlossen wird. Typisches Messverfahren für Kohlendioxid ist die Infrarot-Absorption. Alternativ kommen VOC-Sensoren wie der BME 680 von Bosch zum Einsatz. Das Funktionsprinzip: Beim Gasaustausch in der Lunge sind nicht nur CO2 und Sauerstoff beteiligt, sondern es gehen weitere Blutbestandteile in die Luft über. Diese organischen Komponenten führen zu einer erhöhten VOC-Konzentration der ausgeatmeten Luft. Ein Software-Sensor in der BSEC-Bibliothek des BME 680 rechnet diese in equivalente CO2-Konzentrationen um. Wir messen damit also nur das von Personen ausgeatmete CO2, das CO2 einer Sprudelflasche könnte dieser Softwaresensor nicht detektieren. Ein Effekt, der für unsere aktuelle Anwendung geradezu ideal passt. Allerdings sollen die Nachteile hier nicht verschwiegen werden: Auch andere VOC-Quellen (Desinfektionsmittel, Alkohol, Mundgeruch, Formaldehyd) verfälschen die Messung. Ggf. müssen die Alarmgrenzen also etwas angepasst werden. Mehr Informationen und Hintergründe zu VOC in Schulen z.B. im Leitfaden für die Innenraumhygiene in Schulgebäuden des Umweltbundesamtes.
Mit der Ausatemluft gelangen winzige Flüssigkeitströpfchen (Aerosole) in die Umgebung, die über längere Zeit in der Luft verbleiben. Enthalten diese Aerosole Krankheitserreger, steigt mit der CO2- oder VOC-Konzentration auch das Risiko einer Übertragung. CO2 oder VOC dient daher als indirekter Indikator für Luftqualität und Infektionsgefahr.
Hygienemaßnahmen, Abstand und Masken haben ein gemeinsames Ziel: Sie senken das Ansteckungsrisiko und damit die Zahl der Weiterübertragungen. Wird diese Reproduktionszahl dauerhaft unter 1 gedrückt, kann eine Ausbreitung eingedämmt werden. Wo Abstand und Masken schwer umzusetzen sind – etwa in Klassenräumen – braucht es zusätzliche Werkzeuge. Ein einfaches und wirksames Instrument ist das Monitoring der Innenraumluft, das Rückschlüsse auf die Luftqualität und das Infektionsrisiko erlaubt.
Befinden wir uns mit mehrerern Personen in einem Raum, so liefert die Messung der CO2-Konzentration ein Maß dafür, wieviel Prozent der von uns eingeatmeten Luft aus bereits ausgeatmeter Luft anderer Menschen besteht. Die Massenbilanz zeigt, dass eine gemessene CO2-Konzentration von ca. 1200 ppm (parts per million) bedeutet, dass fast 2% der Luft im Raum bereits mindestens einmal Lungenkontakt hatte [Rudnick&Milton, 2003]. Anschaulich kann man feststellen, dass jeder 50.te Atemzug den eine Person in diesem Raum tätigt, aus schon einmal ausgeatmeter Luft besteht. Über das sich daraus ergebene konkrete Corona-Infektionsrisiko wollen wir nicht spekulieren, es hängt von verschiedenen Faktoren ab, die zur Zeit noch intensiv erforscht werden Das MPI Chemie in Mainz bietet hierzu einen interaktiven Risk-Calculator. Ein Risikofaktor ist sicher die Anzahl von weiteren Personen im selben Raum, das lokale Pandemiegeschehen und die Strömung der Luft. Dem Problem, wie viele Personen sich überhaupt im Raum befinden, werden wir am Ende dieser Anleitung messtechnisch nachgehen (WiFi-Pax-Counter). Insgesamt gilt natürlich: Ist keine der im Raum befindlichen Personen infiziert, so besteht auch bei hohen Konzentrationen kein Infektionsrisiko.
Bedarfsorientiertes Lüften statt Dauerlüften
Zu wenig Frischluft erhöht das Infektionsrisiko, übermäßiges Lüften hingegen führt zu Energieverlusten und belastet das Klima. Eine CO2-Ampel unterstützt dabei, den richtigen Zeitpunkt und die passende Intensität für das Lüften zu bestimmen.
CO2-Messgeräte lassen sich einfach erwerben – oder selbst bauen. Beim Selbstbau werden naturwissenschaftliche und digitale Kompetenzen vermittelt (Physik, Biologie, Chemie, Informatik) und es eröffnen sich Möglichkeiten für Zusatzfunktionen, die über Standardgeräte hinausgehen. So wird Technikkompetenz mit praktischer Gesundheitsvorsorge verknüpft.
Der Selbstbau einer CO2-Überwachungsampel fürs eigene Klassenzimmer bildet, fördert Kreativität und gibt allen Beteiligten das Gefühl, selbst etwas zur Risikovermeidung und zum Schutz der Gesellschaft beizutragen. In der Folge werden wir hier weitere Links zu den MINT-Hintergründen von COVID-19 einstellen. Wir freuen uns über jeden Hinweis zu geeigneten Quellen.
Richtiges Lüften schont die Umwelt, spart Heizkosten und mindert CO2-Emmissionen. In einem Einfamilienhaus lassen sich so 260 Euro pro Jahr sparen und 500 kg CO2 vermeiden.Die meiste Energie ist nämlich in den Wänden und im Inventar der Klasse gespeichert. Kipplüften führt dazu, dass sich auch die Wände abkühlen und später wieder aufgeheizt werden müssen. Beim Querlüften wird nur die Luft ausgetauscht, deren Energiegehalt aufgrund der niedrigen spez. Wärmekapazität deutlich geringer ist.
Auch jenseits von Epidemien oder Pandemien sorgt gute Luftqualität für bessere Konzentration, höhere Leistungsfähigkeit und mehr Wohlbefinden. Der Einsatz von CO2-Sensorik und digitalen Hilfsmitteln fördert nicht nur die Infektionsprävention, sondern auch den Klima- und Ressourcenschutz.
An dieser Stelle möchten wir auch auf einen Zusammenhang zwischen Luftfeuchtigkeit und möglichen Infektionsrisiko hinweisen:
Ein Forscherteam des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung empfiehlt deshalb eine realtive Luftfeuchtigkeit von 40-60 % in Innenräumen. Die meisten CO2-Ampeln zeigen auch die realtive Feuchtigkeit der Raumluft an. Durch häufiges Lüften im Winter wird diese eher zu niedrig ausfallen. Eine Erhöhung lässt sich z.B. durch viele Zimmerpflanzen auf dem Fensterbrett oder einer Schale Wasser auf dem Heizkörper erzielen.
Mit unserem universellen Baukasten lassen sich verschiedene Szenarien zur Raumluftüberwachung realisieren. Von der lokalen Anzeige, über einen eigenen Webserver im Intranet bis hin zur Cloud-Variante mit Thingspeak.
Raumluftüberwachung macht nur Sinn, wenn wir unser Lüftungsverhalten entsprechend anpassen. Idealerweise betreiben wir eine Quer- oder Stoßlüftung, für die im amerikanischen der Begriff "German Lüften" verwendet wird. Hier erreichen wir einen schnellen Luftaustausch, ohne im Winter den Raum zu sehr abzukühlen.
Die folgenden Bilder zeigen die Bandbreite der möglichen Gehäuse und Erweiterungen. Auch die Lüftung ließe sich z. B. mit einem per Shelly angesteuertem Ventilator automatisieren.


Der CO2-Sensor von Sensirion ist bereits ab Werk vorkalibriert, die Genauigkeit (ca. +- 60 ppm, Drift ca. 80 ppm / Jahr) kann sich aber z.B. durch mechanische Einwirkung auf dem Transport verändern. Wir möchten uns natürlich auf die angezeigten Messwerte verlassen können. Dies erreichen wir nur, wenn wir unseren Sensor vor der ersten Nutzung und dann jährlich vor Ort kalibrieren. Hierzu benötigen wir diese Anleitung, etwas Zeit und (windstille) frische Luft als Referenzgas. Wer auch den Drift kompensieren möchte, der muss häufiger kalibrieren. Nur dafür lohnt sich der Einbau eines optionalen Kalibriertasters. Mehr zur Theorie und Empfehlungen zur Kalibrierhäufigkeit hier.
Aufstellort: Das Umweltbundesamt gibt folgende Empfehlung für Schulen: "Die Geräte werden am besten in Atemhöhe (ca. 1,5 m bei sitzenden Personen) und mittig im Raum platziert. Eine Positionierung im Bereich der Fenster oder das Aufstellen direkt entlang einer Wand oder zum Flur hin ist nicht sinnvoll. Es ist nicht unbedingt erforderlich, in jeden Klassenraum eine CO2-Ampel dauerhaft zu installieren. Vielmehr reicht es, wenn in einem Raum zunächst mit Hilfe der Ampel das Lüftungsverhalten einstudiert wird, das dann auch ohne Ampel beibehalten wird. Dann kann die CO2-Ampel anschließend im nächsten Klassenraum eingesetzt werden."
Wir fügen hinzu: Nicht im Durchzug, nicht an Wärmequellen, nicht in der direkten Nähe von Personen (Ausatemluft).
Sie verlassen die offizielle Website der Hochschule Trier